Mutterrolle, Selbstbestimmung & Call Jane

Warum Frauenrechte im Mai auf die Agenda gehören

Mai. Ein Monat voller Blüten, voller Erwartungen – und voller Klischees.

Wir feiern Muttertag, denken an unsere Mütter, an das Muttersein. Wir schreiben Karten, verschenken Blumen, ehren Fürsorge, Wärme, bedingungslose Liebe. Und gleichzeitig spüre ich, wie eng und aufgeladen das alles ist.

Denn kaum eine Rolle wird so sehr idealisiert, kritisiert, verklärt und zerrissen wie die Mutterrolle:

  • Die Working-Mum: zu ehrgeizig.
  • Die Hausfrau: zu bequem.
  • Die Frau ohne Kinder: egoistisch.
  • Die kinderlose Frau, die hingebungsvoll mit Kindern arbeitet: irritierend.
  • Die Stiefmutter: böse.
  • Die Schwiegermutter: übergriffig, zickig oder im besten Fall seltsam.

Jede Entscheidung wird bewertet. Jede Lebensform kommentiert. Und manchmal vergessen wir dabei: Es geht um Menschen. Um Frauen. Um Lebensrealitäten.

Ich habe in den letzten Wochen viel nachgedacht – über Selbstbestimmung, über Frau-sein, über Mutterschaft, über die Freiheit, Entscheidungen treffen zu dürfen.
Dabei war der Film Call Jane wie ein Weckruf. Eine Erinnerung daran, dass Frauenrechte – auch heute noch – keine Selbstverständlichkeit sind.
Nicht in den USA. Nicht in Deutschland. Und oft nicht einmal in unseren eigenen Körpern.

Die Sache mit dem Muttertag

Muttertag ist für viele ein liebevoller Anlass, um Danke zu sagen. Aber er kann auch weh tun. Für Menschen, die ihre Mutter verloren haben. Für jene mit einer schwierigen Beziehung. Für alle, die sich nach Versöhnung sehnen, um Abstand ringen – oder bewusst den Kontakt abgebrochen haben.
Und auch für Frauen, die selbst Mütter sind, aber sich in dieser Rolle manchmal verlieren, weil ihre eigenen Bedürfnisse unsichtbar bleiben.

Deswegen glaube ich, es ist Zeit, den Muttertag zu entstauben. Weg vom Zuckerguss – hin zu echter Anerkennung dessen, was Frau-sein und Mutterschaft heute bedeutet:
Ein Spannungsfeld. Ein Kraftakt. Ein Geschenk. Eine Entscheidung. Oder auch ein Nicht-Können. Ein Verzicht. Ein Schmerz. Ein Glück. Eine Möglichkeit – oder auch keine. Weil all das Raum haben darf.

Gleichheit ist nicht Gerechtigkeit

Zwei Schlagzeilen haben mich in diesem Zusammenhang besonders bewegt: 2024 hat jedes vierte Land weltweit Rückschritte bei Frauenrechten verzeichnet! Und: Der neue Gesundheitsreport 2025 zeigt einmal mehr, wie tief strukturelle Ungleichheit in unserem Alltag verankert ist.
Denn in der Medizin werden Frauen immer noch als „kleine Männer“ behandelt, obwohl seit langem bekannt ist, dass wir anders “funktionieren”. Aus diesem Grund werden bei Frauen oftmals Symptome übersehen oder missinterpretiert, Medikamente falsch dosiert, Krankheitsverläufe missverstanden.
Nicht, weil das irgendwer böse meint – sondern weil Forschung und Standards oft auf männlichen Körpern basieren.
Das ist nicht nur fahrlässig, es ist gefährlich.
Frauenleben sind buchstäblich weniger geschützt.

Und dieses Muster zieht sich durch. Auch beim Thema Gewalt. Femizide – also Morde an Frauen, weil sie Frauen sind – nehmen weltweit zu.
Was für eine erschütternde Realität. Und doch ist sie da.
Wie können wir da einfach zusehen?

Call Jane – Eine Erinnerung daran, wie kostbar unsere Rechte sind

Inmitten all dieser Gedanken habe ich den Film Call Jane gesehen.
Ein US-Drama aus dem Jahr 2022, das die Geschichte von Joy erzählt – einer Hausfrau aus einem Vorort von Chicago in den späten 60ern.
Sie ist schwanger. Die Schwangerschaft bedroht ihr Leben. Doch legale Abtreibung? Undenkbar.

Dann findet Joy Hilfe bei einer geheimen Organisation: dem „Jane Collective“: eine Gruppe von Frauen, die sich – unter Lebensgefahr – für das Selbstbestimmungsrecht anderer einsetzen.

Der Film hat mich tief berührt. Und erschüttert. Denn vieles daran ist noch immer – oder wieder – erschreckend aktuell: In den USA haben mittlerweile mehrere Bundesstaaten das Abtreibungsrecht de facto abgeschafft.
Das bedeutet, dass selbst Frauen mit toten Föten im Körper die medizinisch notwendige Abtreibung verweigert wird. Ich weiß von zwei solcher Fälle aus meinem persönlichen Umfeld. Es passiert. Jetzt. Heute.

Doch auch in Deutschland ist Schwangerschaftsabbruch keine frei zugängliche Gesundheitsleistung.
Denn nach wie vor bleibt er ein Straftatbestand – und ist lediglich unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafbar.
Wir reden hier nicht von Geschichte. Wir reden von der Gegenwart.

Meine Haltung? Klar. Und gleichzeitig voller Demut.

Ich weiß nicht, ob ich in der Lage gewesen wäre, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden.
Und ich bin unendlich dankbar, dass ich nie in dieser Situation war.
Aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass jede Frau das Recht haben sollte, diese Entscheidung selbst treffen zu dürfen.
Straf-frei. Angst-frei. Würde-voll.
Denn der psychische und emotionale Kraftakt ist ohnehin gewaltig.

Frauenrechte sind Menschenrechte – und sie stehen auf dem Spiel

Wir dürfen nicht glauben, dass wir „fertig“ sind mit der Gleichberechtigung.
Wir haben noch nicht einmal geschafft, alle davon zu überzeugen, dass Frauenrechte Menschenrechte sind.
Und während wir uns um unsere Jobs, Kinder, Familien, Freundschaften kümmern, schleichen sich autokratische Kräfte in unsere Demokratien – oftmals gut getarnt unter dem Deckmantel von „Tradition“ oder „Schutz“.

Wer bestimmt über unsere Körper? Über unser Recht, Ja oder Nein zu sagen?
Über unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit?
Über unsere Sichtbarkeit – in Medien, Medizin, Machtstrukturen?

Wir müssen wach bleiben. Wir müssen mutig sein. Wir müssen aufstehen, widersprechen und einander stärken!

Selfcare ist auch: sich einmischen

Vielleicht ist genau das die Brücke zurück zum Muttertag:
Denn echte Fürsorge beginnt bei uns selbst.
Selfcare ist nicht nur Kerze und Badewanne, sondern bedeutet auch Haltung einnehmen.
Für sich selbst. Für andere. Für die Welt, in der wir leben wollen.

Also: Sich einmischen, unsere Stimme erheben, für Rechte eintreten.
Das ist gelebte Selbstachtung. Das ist Mutterschaft in ihrer weitesten, liebevollsten Form:
Ein Schutzraum für Leben, Vielfalt und Würde.


PS: Vielleicht ist es Zeit, den Muttertag weiterzudenken.
Weg vom Klischee. Hin zur Wahrheit.
Und hin zur Freiheit, selbst zu entscheiden, was Muttersein bedeutet.
Für jede von uns. Auf ihre Weise.

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